OSTWIND RUMÄNIEN
Elena Schritter
Elena Schritter, 60 Jahre, Archivarin aus Bukarest/Rumänien
Elena Schritter ist in Bukarest aufgewachsen. Nach der Grundschule war sie auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium. Nach dem Abitur wollte Elena Jura studieren, „aber ich habe die Aufnahmeprüfung nicht geschafft“. Stattdessen hat sie dann mit einer Ausbildung zur Bibliothekarin in der Nationalbibliothek angefangen. Anschließend hat sie Politikwissenschaften studiert. „Ich war sehr gut. Nach meinem Abschluss hat man mir eine Arbeit im Kultusministerium angeboten. Ich habe fünf Jahre als Aktivistin in der Propagandaabteilung gearbeitet. Gemeinsam mit vier Kollegen haben wir die Auftritte für Großveranstaltungen – beispielsweise am Nationalfeiertag in großen Stadien – mit Staatspräsident Nicolae Ceaușescu (1918-1989) organisiert. Ich habe damals viel zu viel gearbeitet, weil ich neben meinen Kollegen bestehen wollte.“
Nach der Revolution von 1989 und dem Ende der Ceaușescu-Diktatur hat Elena geheiratet. „Mein Ex-Mann war Direktor eines großen Metallurgie-Kombinats in Bukarest. Ich habe dann in der IT-Abteilung dieses Unternehmens gearbeitet. Gleichzeitig kam 1990 meine Tochter zur Welt.“ Trotzdem musste sie arbeiten, weshalb sich dann Elenas Mutter viel um das Kind kümmerte. Vier Jahre später wollte ihr Mann dann die Scheidung. „Ich habe dann einen deutschen Mann kennengelernt und bin mit meiner Tochter Ende 1994 nach Freudenburg gezogen.“ Von ihm hat sich Elena dann 2002 getrennt.
„Danach habe ich angefangen, Deutsch zu lernen, und ich habe in verschiedenen Bibliotheken gearbeitet, zum Beispiel im Priesterseminar in Trier, an der Universität Trier und am Gymnasium in Saarburg. Nach mehreren weiteren Schulungen habe ich Dr. Anette Barth getroffen, die dringend für das Museum der Glockengießerei eine Archivarin suchte. Und so bin ich dann an diese Stelle gekommen. Ich erfasse vor allem die erhaltenen Dokumente der Glockengießerfamilie Mabilon. Viele Unterlagen sind in Latein und Französisch, viele sind auch nur handschriftlich überliefert. Mit den Dokumenten habe ich jeden Tag meinen Spaß.“
„Ich liebe die Musik des Komponisten George Enescu (1881-1955).“
„In Deutschland gefällt mir sehr vieles sehr gut. Die Menschen sind anders wie in Rumänien. Rumänen haben – schön und gut – ein südliches Temperament. Aber sie sind chaotisch und undiszipliniert. Mir gefällt auch, dass sich die Menschen in Deutschland sich nicht so viel in das Privatleben von anderen Menschen einmischen. In Rumänien wollen die Menschen einfach immer alles von ihren Nachbarn wissen. Ich habe ein Appartement in einem Hochhaus in Bukarest. Immer werde ich gefragt: ‚Wann kommst Du? Gehst Du auf den Markt? Was kaufst Du? Das ist einfach unmöglich. Ich habe mich verändert, seit ich 1994 nach Deutschland gezogen bin. In Rumänien hält man mich für eine arrogante Deutsche. Es ist in Rumänien auch nicht so sauber wie in Deutschland. Der Müll steht zum Beispiel einfach irgendwo rum.“
Als Elena 1994 nach Deutschland kam, sei das Leben in ihrer Heimat noch anders gewesen. Es habe beispielsweise kein sauberes Badewasser und keine Pampers-Windeln gegeben. „Ende der 1980er Jahre haben wir im Winter gefroren, weil es kein Gas und keinen Strom gab. Im Krankenhaus in Budapest wurden neugeborene Babys mit kaltem Wasser gewaschen – Ich weiß das, weil meine Mutter zu der Zeit dort als Ärztin gearbeitet und mir später erzählt hat. Die Lebensmittel waren in der Zeit auch rationiert. Deswegen ist das rumänische Volk im Winter 1989 auf die Straße gegangen. Anfang der 1990er hat mir mein Vater als Konsul in Berlin etwa Milchpulver für meine Tochter geschickt. Inzwischen geht es den Menschen in Rumänien besser. Seit das Land in der EU ist, macht es kleine Fortschritte.“
„Ich vermisse einige Produkte, die man in Deutschland nicht bekommt. Hier bekommt man Karpfen nur an Weihnachten und Silvester, in Rumänien wird er das ganze Jahr über angeboten. Aus dem Roggen von Karpfen und Forellen werden leckere Cremes hergestellt. Hier bekommt man die nicht. Zum Glück gibt es jetzt in Luxemburg zwei Geschäfte, in denen man diese Sachen einkaufen kann. Auch die freundlichen Verkäuferinnen fehlen mir. In Rumänien kann man sie immer nach Tipps fragen, wie man bestimmt Dinge zubereitet. In Deutschland hat man den Eindruck, dass das nicht gewollt ist: Keine Zeit, hau ab!“