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OSTWIND UKRAINE

Svetlana Sharamok

Svetlana Sharamok, 35 Jahre, hat bis Sommer 2020 in Dnepro/Ukraine gelebt.

Dort hatte sie im Kulturzentrum eine eigene Druckerwerkstatt, in der sie auch unterrichtet hat. Auch in Deutschland unterrichtet sie Schüler, erklärt ihnen, wie Stiche oder Kaltnadelradierungen gemacht werden. In der Europäischen Kunstakademie in Trier hat sie ihr eigenes Atelier. Dort kümmert sie sich um eigene Kunstprojekte. „So lange, wie ich mich zurückerinnere, war ich eine Künstlerin, einfach schon immer“, sagt Svetlana über sich selbst und ihr Leben als Künstlerin. Sie hat zunächst eine Ausbildung in einer Buchdruckerei gemacht. „Ok, das ist erst mal nicht wirklich eine künstlerische Tätigkeit. Aber Bücher sind ein wertvoller unseres kulturellen Gedächtnisses. Und deshalb sollten sie ‚kunstvoll’ gestaltet sein.“

Svetlana hat etwa 2017 angefangen, sich intensiver mit dem Thema Drucken zu beschäftigen. Ihre Freunde hatten ihr zum Geburtstag eine Druckerpresse geschenkt. „Mich hat von Anfang an die Idee fasziniert, wie man mit einer Druckvorlage Hunderte von Drucken machen kann. Und trotzdem unterscheiden sich alle Drucke voneinander.“ Aktuell macht sie Arbeiten über Trier: „Die Stadt beeinflusst mein Denken enorm, hat großen Einfluss auf das, was ich fühle. In Trier gibt es viele Kirchen. Ich glaube zwar nicht an Gott, aber ich habe mich entschieden Bilder im Stil von Ikonen zu drucken – mit Maria oder Christus im Zentrum des Bildes. Der Stil ist naiv und die Gesichter der ‚Ikonen‘ sind einfach nur schwarz. Für mich stehen diese Bilder dafür, dass Gott uns verlassen hat, er uns allein gelassen hat. Wir sind erwachsen geworden, und meine Meinung ist, dass wir keinen Gott mehr brauchen, der uns an die Hand nimmt. Jeder sollte selbst die Verantwortung für seine Entscheidungen übernehmen.“

Skyline von Kiew, der Hauptstadt der Ukraine


In Trier sei sie viel alleine, unternehme viele Touren in der Stadt. Oft, wenn sie müde sei, würde sie eine der zahlreichen Kirchen gehen, um sich dort hinzusetzen und um die Menschen zu beobachten, die in dem Raum sind. Am liebsten besucht Svetlana den Dom in Trier. „Für mich ist der Gang in den Dom wie ein Kinobesuch. Ich kann ihn mir immer wieder aus anderen Blickwinkeln anschauen, mich das eine Mal auf die Kirchenfenster und beim nächsten Mal auf die Bilder konzentrieren. Ich trete mit der Kunst in einen Dialog.“

In einem anderen Projekt in Trier hat Svetlana künstlerisch untersucht, wie das menschliche Gedächtnis Erinnerungen speichert. „Ich wollte den Menschen zeigen, wie sich Propaganda ins Gehirn einfrisst. Durch das ständige Wiederholen der gleichen Phrasen glauben die Menschen, irgendwann auch das, was ihnen gesagt oder gezeigt wird, auch wenn es nicht der Wahrheit entspricht. Propaganda ist wie der Prozess des Druckens, sie hinterlässt Spuren im Gedächtnis.“

An Trier gefällt Svetlana das Radwegenetz. Anders als in der Ukraine gibt es Trier Radwege, auf denen man sich auch sicher fühlt. Am meisten vermisst sie ihre Familie, ihre Freunde und ihr ukrainisches Umfeld. Und so ist eines ihrer wichtigsten Ziele, wieder ein intaktes Beziehungsnetz aufzubauen.

„Wenn man Menschen in der Ukraine begegnet, sind sie immer fröhlich. Passiert ein Unfall, wird nicht rumgebrüllt. Man geht aufeinander zu, entschuldigt sich – normalerweise ist dann alles gut.“ Deutschland sei aus ihrer Sicht total sicher, auch nachts, wenn man allein unterwegs ist. „Ich brauche mein Fahrrad nicht abzusperren – ok, es ist ein altes Rad.“ In Trier sei ihr aufgefallen, dass sich Menschen in Cafés oder Restaurants treffen würden. In der Ukraine sei das anders. „Man begegnet sich auf der Straße, kommt mit einander ins Gespräch, spielt und redet miteinander.“ Sie habe deshalb den Eindruck, dass die deutsche Gesellschaft verschlossener sei als die ukrainische.

Aber vielleicht täuscht das auch: „Im Januar startet mein Deutschkurs. Darauf freue ich ich schon sehr.“