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OSTWIND Lettland

Liga Ledina

Liga Ledina, 43 Jahre, aus Riga/Lettland

„Mein Nachname ist schon von der Betonung her interessant. Die Deutschen machen immer einen anderen Akzent auf die Wörter. Und egal wie oft man es sagt, sie machen es immer falsch. Aber auch ich mache es falsch. Wenn ich einen Namen nicht kenne, nicht weiß, wie er betont wird, setze ich auch immer den falschen Akzent. Ich komme ursprünglich aus Riga, der lettischen Hauptstadt. Meine Vorfahren kommen aber auch aus anderen Regionen, wie beispielsweise Latgalien – in dem stolze Menschen leben, mit einer sehr eigenständigen Kultur und einem ausgeprägten Dialekt. Es grenzt an Russland.

Lettland ist ja nur ein kleines Land mit rund zwei Millionen Einwohnern. Aber es gibt – wie in Deutschland – immer noch eine große Anzahl von Dialekten, die auch immer noch lebendig sind. Mein Opa kam aus einer Gegend, in der der Dialekt noch sehr gepflegt und intensiv gesprochen wurde.

In Deutschland lebe ich seit 2004. Meinen 25. Geburtstag habe ich in Deutschland gefeiert.

Was ich in Deutschland vermisse? Das ist schwierig. Mein Gefühl ist, dass die deutsche und die lettische Mentalität einander stark ähneln. Menschlich ist die Mentalität wirklich sehr ähnlich. Da gibt es nichts, was uns unterscheidet – oder was man in Deutschland anders macht. Die Letten sind vielleicht viel direkter. Schon die Deutschen sind im Vergleich zu anderen Kulturen sehr direkt, aber wir sind noch eine Stufe höher. Manchmal ist das auch schwierig, weil das gelegentlich als beleidigend empfunden wird. Das musste ich erst lernen. Letten sagen öfter direkt, was sie denken – auch wenn es negativ ist. Aber wir sagen das dann auch (lacht). Im Vergleich dazu sind die Deutsch ein bisschen einfühlsamer. Ich kann nicht sagen, was besser ist. Man muss das lernen, wie unterschiedliche Kulturen damit umgehen.

In Lettland wird Volksmusik geliebt. Sie ist bei uns immer noch stark präsent und wird gelebt; auch die 100 Jahre alten und älteren Lieder und Texte. Das ist ein Teil von uns und einfach da. In Deutschland ist das nicht mehr so gegenwärtig, finde ich. In Lettland ist die alte, heidnische und volksgeprägte Kultur immer noch sehr präsent. Das sieht man auch an den Festen. So feiern wir immer noch die Mitsommernacht. Das ist unsere Nationalfeier – und mein Namenstag. Die werden übrigens in Lettland auch gefeiert. Das ist keine christliche, sondern eine heidnische Tradition. Viele unsere Namen leiten sich von alten heidnischen Göttern ab. Liga und Jannis sind auch uralte Namen. In Lettland vermischen sich heidnische und christliche Traditionen sehr. Lettland wurde erst spät und mit Gewalt christianisiert durch den Deutschen Orden. Deshalb leben diese Traditionen bis in die Gegenwart weiter.

In Lettland kann man gut Radfahren, es ist ziemlich flach. Der höchste Berg – wir nennen das wirklich „Berg“ – ist 311 Meter hoch.

Skyline von Riga, der Hauptstadt von Lettland

 

Was mir persönlich an den Deutschen toll finde, ist ihre Offenheit für andere Kulturen, für fremde Sprachen. Mir gefällt auch, wie sich Deutsche freuen, wenn ein Ausländer Deutsch spricht. Ich finde, dass etwa die Franzosen nicht so erfreut sind, wenn man schlecht Französisch spricht. Die Deutschen schätzen es, dass ein Ausländer sich die Mühe gemacht hat, Deutsch zu lernen und die Sprache zu sprechen – auch wenn es in Teilen fehlerhaft ist. Ich habe es immer so empfunden, dass die Menschen, die ich hier getroffen habe, so weltoffen waren. Das könnten die Letten von den Deutschen lernen. In der lettischen Kultur ist das nicht so ausgeprägt. Wir sind sehr stolz auf unsere Kultur, aber diese Offenheit müssen wir noch ein bisschen üben.

Der Grund dafür ist vielleicht, dass die Letten als kleines Volk über 800 Jahr unterdrückt wurden – mit kleinen Pausen zwischendurch. Deshalb sind wir Letten allem Fremden gegenüber vorsichtig. Wir haben oft einfach schlechte Erfahrungen mit den Eroberern gemacht.

Wer nach Lettland reist, sollte unbedingt einen Blick aufs Meer werfen. Das ist anders – man legt sich nicht einfach an den Strand in die Sonne. Aber man kann dort wunderbar Spazierengehen, ihm zuhören und ihm zuschauen. Die Farben sind anders. Es ist rau und grau, gelegentlich mit kräftigen Stürmen. Ich liebe es, am Meer entlang zu laufen und den Wellen zu lauschen. Es gibt eine Stelle, an der man beobachten kann, wie sich das offene Meerwasser mit dem Wasser in der Bucht vermischt, wie es miteinander ringt. Mich elektrisiert das. Mir gibt das viel Energie. Wenn wir hier in Freudenburg Besuch aus Lettland bekommen, zeigen wir unseren Freunden natürlich die Natur. Die ist einfach komplett anders als dort. Dort ist es flach, hier kann man zum Beispiel schön durch die Weinberge wandern. Das kennt man so in Lettland nicht. Oder wir fahren mit den Besuchern zur Saarschleife. Sie zählt für mich zu den natürlichen Schönheiten der Region. Es gibt so viel, was man zeigen könnte. Aber es gibt auch einfach die, die einem in Erinnerung bleiben oder einem Energie geben, wie hier die Landschaft, die ich unglaublich schön finde und unbedingt zeigen will.“